R.7. Versorgungsbetriebe

A. Die EGÖD-Mitglieder, die sich vom 8. bis zum 11. Juni 2009 zum 8. EGÖD-Kongress in Brüssel versammeln, verpflichten sich auf die folgenden Prinzipien und Ziele:

1. Versorgungsunternehmen sind ein wichtiger Teil der öffentlichen Infrastruktur Europas und der öffentlichen Dienste. Diese Dienste sollten bezahlbar, zugänglich und von hoher Qualität sein. Der EGÖD hält Versorgungsbetriebe im öffentlichen Eigentum und unter öffentlicher Kontrolle für die zu bevorzugende Lösung, denn dies bietet die beste Garantie, für die europäischen BürgerInnen und die europäische Wirtschaft eine sichere und saubere Trinkwasserversorgung, eine effiziente Abwasseraufbereitung, zuverlässige Strom- und Gaslieferungen und eine zukunftsfähige Abfallentsorgung zur Verfügung zu stellen. Der EGÖD und seine Mitgliedsgewerkschaften setzen sich für die Verbesserung der Qualität der erbrachten Dienstleistungen ein und arbeiten mit der Zivilgesellschaft und Nutzergruppen an der Umsetzung dieses Ziels. Der EGÖD verpflichtet sich, Aktionen und Kampagnen zur Unterstützung von Gewerkschaften durchzuführen, deren Mitglieder in privaten oder öffentlichen Versorgungsunternehmen beschäftigt sind. Die ArbeitnehmerInnen in den Versorgungsbetrieben sind es, die diese Versorgungsleistungen erbringen. Eine Förderung dieser am Gemeinwohl orientierten Versorgung steht deshalb in unmittelbarem Zusammenhang mit sicheren Arbeitsplätzen hoher Qualität, angemessenen Löhnen und menschenwürdigen Arbeitsbedingungen;

2. Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen für heutige und zukünftige Generationen. Der EGÖD setzt sich dafür, das Thema Klimawandel zu einem festen Bestandteil der Politik und der Rechtsetzung, der Entwicklungszusammenarbeit und der Investitionsentscheidungen der EU zu machen und dabei eindeutige und ambitionierte Zielvorgaben zu setzen. Die Grundsätze eines gerechten Übergangs zu einer kohlenstoffarmen oder sogar kohlenstofffreien Wirtschaft auch für die betroffenen ArbeitnehmerInnen auf der Grundlage von Beschäftigungsalternativen und beruflicher Weiterqualifizierung sind ebenfalls in die EU-Politik zu integrieren;

3. Der EGÖD lehnt die weitere Liberalisierung der Energie-, Abfall– und Wasserwirtschaft im Rahmen der Binnenmarktpolitik oder im Rahmen von GATS aufgrund der damit verbundenen Auswirkungen auf Preise, Investitionen, Beschäftigte und BürgerInnen ab. Der EGÖD befürwortet kosten- und nicht marktbasierte Preise für Versorgungsleistungen dieser Art;

4. Europa braucht eine gemeinsame Energiepolitik, die sich des Problems des Klimawandels annimmt, die Emissionen von Treibhausgasen reduziert, erneuerbare Energien fördert und die Bedeutung von Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz sowie von massiven öffentlichen Investitionen in Forschung und Entwicklung für neue Technologien erkennt, um Europas Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren und so einen Beitrag zur Versorgungssicherheit zu leisten. Europas Energiepolitik sollte demokratisch sein und die Bedeutung der lokalen und nationalen Ebene bei der Festlegung des Energieträgermixes anerkennen. Der EGÖD ist einer Energiepolitik mit gerechten und nachvollziehbaren Preisen für alle Verbrauchergruppen verpflichtet, die ebenfalls die Interessen von VerbraucherInnen mit niedrigen Einkommen schützt;

5. Der EGÖD setzt sich für ein Wasserpolitik ein, die die Wasserversorgung als Menschenrecht ansieht sowie hohen Qualitätsnormen zu Preisen verpflichtet ist, die sich die Menschen leisten können. Eine solche Politik berücksichtigt auch die Interessen der ärmsten und am stärksten benachteiligten Mitglieder der Gesellschaft. Der Wassersektor muss deshalb in der Hand des öffentlichen Sektors sein und bleiben bzw. gegebenenfalls wieder in die Verantwortung des öffentlichen Sektors zurückgeführt werden. Der EGÖD ist der Überzeugung, dass ein vernünftiger Umgang mit Wasser, die Wasserbewirtschaftung von Flussgebietseinheiten, die sichere Behandlung von Schlämmen, strenge Normen für Schadstoffe und eine öffentliche Kontrolle dieser Stoffe mit dem Ziel der Nullverschmutzung an der Quelle unter Beteiligung der Gewerkschaften und der Öffentlichkeit durch partizipativer Maßnahmen der richtige Weg sind;

6. Die Abfallhierarchie mit ihren Abstufungen Abfallvermeidung, Wiederverwendung, Recycling, energetische Verwertung und zuletzt Deponierung wird unterstützt. Das Verursacherprinzip, die Produzenten-verantwortung und das Nachbarschaftsprinzip (Beseitigung von Abfällen in unmittelbarer Nähe des Ortes, an dem sie produziert werden) sind wichtige Grundsätze jeder Politik. Verbesserungen der öffentlichen Gesundheit und des Umweltschutzes stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Arbeitssicherheit und dem Gesundheitsschutz der ArbeitnehmerInnen;

7. Der EGÖD erinnert an die Grundsatzpositionen, die er während der letzten Kongressperiode zu den Themen Energie-, Wasser- und Abfallwirtschaft angenommen hat. Sie sind nach wie vor für die Entwicklung zukünftiger Grundsatzpositionen des EGÖD im Bereich der Versorgungsunternehmen von Relevanz.

B. Der 8. Kongress verpflichtet den EGÖD und seine Mitgliedsgewerkschaften zu folgenden Maßnahmen:

8. Wasser
Weiterentwicklung der Allianz mit Netzwerken von Wasseraktivisten, die sich für eine öffentliche Wasserversorgung engagieren; Fortsetzung der kritischen Analyse der Entwicklungen in der europäischen Wasserwirtschaft gemeinsam mit PSIRU und anderen Institutionen; Unterstützung von Gewerkschaften in ihrem Kampf gegen die Privatisierung der Wasser- und Abwasserwirtschaft; Kampf gegen die Initiativen der Europäischen Kommission zur Kommerzialisierung der Wasserversorgung zum Beispiel durch eine Konzessionsrichtlinie oder durch Maßnahmen für die Bewältigung von Trockenperioden und Überschwemmungen; Hinweis auf die nach wie vor große Bedeutung von Investitionen und qualifiziertem Personal als Voraussetzung für hochwertige Dienstleistungen; Hinweis auf die Folgen des Klimawandels auf die Wasser- und Abwasserwirtschaft;

9. Initiative für eine Petition mit einer Million Unterschriften, die der Wasserversorgung unter dem Motto „Unser Wasser ist nicht zu verkaufen” den Status eines Menschenrechts zuerkennen will. Grundlage für die Initiative sind nationale Aktionen in den vier Wochen des Monats Mai im Jahre 2010, um die breite Unterstützung der Öffentlichkeit zu erhalten; Aufforderung an weitere Gruppen von Wasseraktivisten, sich dieser Initiative anzuschließen; Rückstellungen von Ressourcen für die Entwicklung von Kampagnenmaterial; Unterstützung des EGÖD-Sekretariats; Einsetzen einer Kampagnen-Lenkungsgruppe, die die Kampagne begleitet.

10. Energie
Kritische Analyse der Auswirkungen des Binnenmarktes für Strom und Gas auf Arbeitnehmerinnen, Investitionen und Preise; Forderung nach einer gründlichen und unabhängigen europaweiten Überprüfung der mit der Liberalisierung gesammelten Erfahrungen; Darstellung des möglichen Widerspruchs zwischen Liberalisierung einerseits und Investitionen und Versorgungssicherheit andererseits; Widerstand gegen die eigentumsrechtliche Entflechtung der Übertragungs- und Verteilernetze; Beteiligung an regionalen Marktinstitutionen; Kampagnen für eine demokratische Kontrolle der Regulierer auf nationaler und europäischer Ebene durch öffentliche Partizipation und Beratungsgremien (mit VertreterInnen der Gewerkschaften);

11. Entwicklung eines europäischen Sozialkapitels, das zu einem festen Bestandteil der Energiepolitik der EU wird und Stellung bezieht zu wichtigen Themen wie Energiearmut, kostenorientierte Preisbildung, Arbeitsschutz, Mobilität, Qualifikationen, sozialer Dialog und Kollektivverhandlungen zwischen den Sozialpartnern;

12. Forderung verbindlicher Zusagen seitens der Regierungen und der EU, massiv in Forschung und Entwicklung zur Deckung der Grundlast sowie in kohlenstoffarme Technologien und die damit verbundenen Kompetenzen und Qualifikationen zu investieren;

13. Bestätigung der Wahlfreiheit der Nationalstaaten hinsichtlich ihrer Entscheidungen für einen bestimmten Energieträgermix unter Anerkennung der damit verbundenen grenzüberschreitenden und europaweiten Sicherheitsfolgen; Einsatz von Ressourcen und Abfallentsorgung und somit Aufgabe einer Analyse der Folgen des Einsatzes sauberer Technologien auf den Qualifikationsbedarf um sicherzustellen, dass für alle Energietechnologien hochqualifiziertes Personal zur Verfügung steht;

14. Weiterentwicklung der EGÖD-Energiepolitik mit dem Schwerpunkt auf der Organisation von ArbeitnehmerInnen im Energiedienstleistungssektor und im Bereich erneuerbare Energien;

15. Unterstützung der an der südosteuropäischen Energiegemeinschaft beteiligten Gewerkschaften (Länder des westlichen Balkans, Ukraine, Georgien, Moldawien, Türkei) bei der Umsetzung der Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) zum Dialog über die sozialen Aspekte der Energiegemeinschaft und besonders die nationalen Sozialaktionspläne; weiterer Aufbau des regionalen Netzwerks der Gewerkschaften in der Energiegemeinschaft;

16. Forderung eines Sozialkapitels in der Energieaußenpolitik der EU und im Energiedialog mit Russland, der Ukraine und anderen Ländern mit der EU; Initiativen für eine umfassendere Beteiligung aller Gewerkschaften am Energiedialog auf einer Ebene vergleichbar mit der Unternehmensebene.

17. Abfall
Analyse der Gemeinschaftsstrategie für die Abfallbewirtschaftung und der Auswirkungen der Abfallrahmenrichtlinie auf die ArbeitnehmerInnen; wie können die Gewerkschaften auf dieser Basis Qualifizierung Weiterbildung und Arbeitsschutz verbessern und den Wettbewerb auf der Grundlage von Arbeitsbedingungen verringern;

18. Untersuchung der Beschäftigungssituation, der Löhne und der Arbeitsbedingungen im Abfallsektor, um ein Maß für den ruinösen Wettbewerb in der Branche zu bekommen; Gründung eines Forums für die Gewerkschaften in der Abfallwirtschaft als Plattform für einen regelmäßigen Gedankenaustausch und gemeinsame Aktionen; Überlegungen zu einem jährlichen Aktionstag als Teil der Aktionen für die Aufnahme eines sozialen Dialogs, um die Zahl der Arbeitsunfälle zu senken und um akzeptable Mindestlöhne im Sektor durchzusetzen.

19. Koordinierung von Kollektivverhandlungen
Verstärkte Koordinierung der Entwicklung der Kollektivverhandlungen auf nationaler Ebene in Versorgungs-unternehmen und multinationalen Unternehmen besonders in der Gas- und Elektrizitätswirtschaft. Verstärkte Beachtung der Entwicklungen auf der nationalen/regionalen Ebene, in Versorgungsunternehmen und in multinationalen Unternehmen. Entwicklung gemeinsamer Kampagnen zu Themen wie Outsourcing; koordinierte Aktionen und Mitwirkung an der Verbesserung der Löhne und Arbeitsbedingungen für ArbeitnehmerInnen. Ziel: Verhinderung von Sozialdumping und Verteidigung des Rechtes auf Verhandlung und Unterzeichnung von Kollektivvereinbarungen;

20. Entwicklung gemeinsamer Strategien wie zum Beispiel die Charta für transnationale Solidarität in einer integrierten Industrie sowie die Gascharta;

21. Förderung der Prinzipien für einen gerechten Übergang in der europäischen Energiepolitik in Zusammenarbeit mit dem EGB mit folgenden Zielen: I. Bericht des Europäischen Parlaments über die Beschäftigungsdimension des Klimawandels und begleitende Maßnahmen wie Mobilität, Aus- und Weiterbildung und Anerkennung von Qualifikationen; II. Diskussion in den europäischen Finanzinstitutionen darüber, wie eine solche Politik und finanzielle Unterstützung zusammengeführt werden können; III. Diskussion mit den europäischen Arbeitgebern in der Gas- und Stromwirtschaft über eine gemeinsame Vorgehensweise;

22. Vergleich der CSR-Politik der Versorgungsunternehmen; Durchsetzung der Anerkennung der Gewerkschaften; Initiativen für verhandelte CSR-Modelle in Unternehmen und auf europäischer sektoraler Ebene.

23. Europäischer sozialer Dialog
Fortsetzung der europäischen Sozialdialoge in der Strom- und Gaswirtschaft; Durchsetzung von Verhandlungsthemen mit realen Vorteilen für die Arbeitnehmerinnen; keine Strategie der Konfliktvermeidung; Durchsetzung europäischer Positionen durch nationale Gewerkschaften und Arbeitgeber; Beginn des sozialen Dialogs in der Abfallwirtschaft durch eine von den Mitgliedern gestützte Kampagne, um eine breite Unterstützung in der Öffentlichkeit und in privaten Unternehmen zu erhalten. Überlegungen zur Gründung eines Ausschusses für den europäischen sozialen Dialog in der Wasserwirtschaft.

24. Multinationale Unternehmen
Fortsetzung der Beziehungen zum EBR-Koordinatorinnen-Netzwerk des EGÖD; Gründung von EBRs in allen multinationalen Unternehmen im Strom- und Gassektor 2010; Gründung von EBRs in allen multinationalen Unternehmen im Abfallsektor 2012.

25. Recherchen über multinationale Unternehmen im Versorgungssektor und Verfolgen von Entwicklungen in diesen Unternehmen, ihren Tochtergesellschaften und den Sektoren; die Recherchen helfen bei der Benennung von Unternehmen, die für einen EBR in Frage kommen, und liefern Informationen für die Gewerkschaften und den EGÖD, um Unternehmen gezielt für Aktionen aussuchen zu können.

am 10. Juni 2009 vom Kongress angenommen