S.R.1. Das Europäische Sozialmodell: Die vier Freiheiten des Europäischen Binnenmarktes und die nationalen Gewerkschaftsrechte

A. Die EGÖD-Mitgliedsgewerkschaften verpflichten sich auf ihrem 8. Kongress in Brüssel vom 8. - 11. Juni auf die folgenden Grundsätze und Ziele:

1. Das europäische Sozialmodell ist ein zentraler Bestandteil des europäischen Projekts und basiert auf dem Schutz grundlegender sozialer Rechte einschließlich des Rechts, sich in Gewerkschaften zu organisieren, des Rechts auf Kollektivverhandlungen, des Streikrechts und des Rechts auf faire Arbeitsbedingungen sowie auf Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung.

2. Die grundlegenden Arbeitnehmerrechte einschließlich des Rechts der Gewerkschaften auf Arbeitskampfmaßnahmen sind primäre Rechte und nicht geringer zu bewerten als der freie Dienstleistungsverkehr. Der freie Dienstleistungsverkehr hindert Regierungen und Gewerkschaften nicht an Initiativen, Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung zu garantieren und sich für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für ihre Mitglieder einzusetzen.

3. Die Entsenderichtlinie ist eine Mindestrichtlinie und stellt in ihrem Artikel 3(7) eindeutig fest, dass die Gewerkschaften für ArbeitnehmerInnen günstigere Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen fordern können, und dass die Richtlinie nicht das Recht der Mitgliedstaaten über kollektive Maßnahmen zur Verteidigung beruflicher Interessen berührt (Erwägungsgrund 22)

B. Der 8. Kongress fordert den EGÖD und seine Mitglieder auf:

4. Die Forderung des EGB nach einem Protokoll für den sozialen Fortschritt zu unterstützen, das den Binnenmarkt nicht als Selbstzweck definiert, sondern als eine Errungenschaft, die den Völkern in der EU sozialen Fortschritt bringt. Das Protokoll erkennt der wirtschaftlichen Freiheit und den Wettbewerbsregeln keine Priorität über grundlegenden sozialen Rechten und dem sozialen Fortschritt zu, im Falle von Konflikten müssen die sozialen Rechte Vorrang haben. Wirtschaftliche Freiheit kann nicht als Freifahrtschein für die Unternehmen interpretiert werden, sie zu nutzen, um nationale Sozial- und Arbeitsgesetze zu missachten oder zu umgehen, oder einen unfairen Wettbewerb der Löhne und Arbeitsbedingungen zu beginnen.

5. Die 2008 vom Europäischen Parlament verabschiedete Entschließung über „Herausforderungen für Tarifverträge in der EU“ zu unterstützen und eine Neufassung der Entsenderichtlinie zu fordern und auf diese Weise zu erreichen, dass diese ihr ursprüngliches Ziel der Förderung einer länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen in einem Klima des fairen Wettbewerbs und der Respektierung der Arbeitnehmerrechte erfüllt.
Folgende Themen sollten dabei im Mittelpunkt stehen:
- In der Richtlinie sollte es eine Möglichkeit für die Mitgliedstaaten geben, in Gesetzen oder Kollektiverhandlungen auf die „üblichen Löhne“ hinzuweisen, die im Bestimmungsland gezahlt werden laut Definition im IAO-Übereinkommen 94 anstelle von „Mindestlöhnen“;
- Begrenzung der Zeitspanne, in der ArbeitnehmerInnen in andere Mitgliedstaaten „entsandt“ werden können;
- Ein eindeutigerer Hinweis darauf, dass diese Richtlinie und andere EU-Rechtsvorschriften den Mitgliedstaaten und die Gewerkschaften nicht untersagen, für die ArbeitnehmerInnen günstigere Bedingungen zu fordern.

6. An der Verbesserung des Austausches von Informationen über Kollektivvereinbarungen zwischen Gewerkschaften und Gewerkschaftsverbänden in unterschiedlichen Ländern mitzuwirken und die Entwicklung von Kooperationsvereinbarungen zwischen Gewerkschaften und Gewerkschaftsverbänden zu fördern, um es auf diese Weise Gewerkschaftsmitgliedern zu erleichtern, zeitweilig im Ausland zu arbeiten und gewerkschaftlichen Schutz in dem Land zu genießen, in dem sie tätig sind.

7. Einen effektiven Austausch von Informationen über nationale Initiativen zur Reformierung und Stärkung der Systeme der industriellen Arbeitsbeziehungen zu erreichen, die zurzeit aufgrund der Entscheidungen in den Rechtssachen Viking und Laval besonders gefährdet sind.

8. Einen effektiven Austausch von Informationen über in unterschiedlichen Ländern laufende Initiativen zu erreichen, Sozialklauseln bei der Vergabe öffentlicher Aufträge durchzusetzen, damit die Arbeitskräfte von Auftragnehmern und Nachunternehmern mehr als nur den vorgeschriebenen Mindestschutz erhalten.

am 9. Juni 2009 vom Kongress angenommen