Appell an EU-Staats- und Regierungschefs: Bereitschaftsdienst muss Arbeitszeit bleiben

Berlin, 19. Oktober 2006 - Nr. 67/06

Appell an EU-Staats- und Regierungschefs:
Bereitschaftsdienst muss Arbeitszeit bleiben

Einen Tag vor dem Sondergipfeltreffen der EU im finnischen Lathi hat der Ärzteverband Marburger Bund (MB) vor einer Änderung der europäischen Arbeitszeitrichtlinie gewarnt. Nach dem Willen der EU-Kommission sollen die Staatschefs einer Revision der Arbeitszeitrichtlinie zustimmen, die unter anderem die Bewertung der Bereitschaftsdienste nicht mehr automatisch als Arbeitszeit vorsieht. Zukünftig sollen die Bereitschaftsdienste in aktive und inaktive Phasen unterteilt werden, wobei nur aktive Phasen auch als Arbeitszeit anzuerkennen sein sollen.

Der zweite Vorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke, appellierte an die europäischen Staats- und Regierungschefs, diesem Vorschlag nicht zuzustimmen, da sich die bisherige Arbeitszeitrichtlinie aus Gründen des Arbeits- und Patientenschutzes ausgezahlt habe. "Bereitschaftsdienste müssen auch weiterhin zu 100 Prozent als Arbeitszeit gewertet werden, damit überlange Marathon-Schichten der Klinikärzte auch im Sinne der Patienten verboten bleiben."

Henke erinnerte in diesem Zusammenhang an ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom September 2003, bei dem die Richter im Fall eines deutschen Klinikarztes klargestellt hätten, dass nach der EU-Arbeitszeitrichtlinie auch in Deutschland die Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit zu werten seien. Eine vollständige Umsetzung im deutschen Arbeitszeitgesetz, das die Bereitschaftsdienste über viele Jahre als Ruhezeit wertete, sei vom deutschen Gesetzgeber erst zum Januar 2007 vorgesehen, sodass hierzulande von etlichen Krankenhausärzten auch weiterhin überlange Arbeitszeiten abverlangt werden.

Mit der im Raum stehenden Änderung der Bereitschaftsdienstbewertung würde die Europäische Union die lang ersehnten Verbesserungen der ärztlichen Arbeitsbedingungen in Deutschland geradezu konterkarieren. Zudem stünde sie im direkten Widerspruch zu den kürzlich vom Marburger Bund mit den Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes abgeschlossenen arztspezifischen Tarifvereinbarungen, die die Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit werten und Folgekosten durch flexible Arbeitszeitvereinbarungen in Grenzen halten.

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