R.A.1. Stärkung der Gewerkschaften des öffentlichen Sektors in Europa

Infolge der laufenden Globalisierung und des europäischen Integrationsprozesses kommt es zu schnellen und umfassenden gesellschaftlichen Veränderungen. Dieser Wandel hat wiederum Auswirkungen auf das Funktionieren und die Zukunft der Gewerkschaften auf nationaler Ebene, letztlich aber auch auf den EGÖD auf europäischer Ebene.
Hinter diesen Veränderungen stehen die folgenden unübersehbaren Trends:

1. Zunehmende Komplexität und Dynamik der Gesellschaft
Immer größere und unterschiedlichere individuelle Interessen und Wünsche führen dazu, dass sich der einzelne Mensch mehreren Gruppen zugehörig fühlt. Gruppen innerhalb der Gesellschaft werden kleiner, vielfältiger in ihrer Zusammensetzung und dynamischer. Sie sind deshalb schwieriger zu erkennen und anzusprechen. Dieser Effekt wird noch durch den Prozess der Freizügigkeit von Personen, Waren und Dienstleistungen innerhalb der EU verstärkt.

2. Interessen einzelner Personen und Gruppen werden immer wichtiger.
Die Solidarität zwischen Individuen und Gruppen und dem sozialen Kollektiv ist stärker, wenn es Berührungspunkte zwischen dem individuellen (Gruppen-) Interesse und dem Kollektiv gibt.

3. Neue Anforderungen des Arbeitsmarktes
Die Entwicklung einer europäischen wissensbasierten Gesellschaft führt u.a. zu eine steigenden Nachfrage nach gut ausgebildeten Arbeitskräften, der Digitalisierung einfacher verwaltungstechnischer Aufgaben und der Verlagerung von Tätigkeiten in Niedriglohnländer. Aus diesem Grund sehen sich Menschen mit weniger qualifizierter Ausbildung einem wachsenden Druck ausgesetzt.

4. Die unmittelbare Folge entfesselter Marktkräfte und zunehmender Privatisierung ist eine stärkere Flexibilisierung der Beschäftigungsbedingungen am unteren Ende des Arbeitsmarktes.

5. Die längere Lebenserwartung und die alternde Bevölkerung zwingen unsere Gesellschaft, über einen zukünftigen Arbeitskräftemangel nachzudenken.

6. Fortschreitende Digitalisierung
Die Digitalisierung der Gesellschaft (z.B. elektronische Behördendienste) wird schnell weitergehen. Das bedeutet, dass es Arbeiten, die zurzeit noch durch Tätigkeiten des Menschen geprägt sind, in Zukunft nicht mehr geben wird. Die Digitalisierung beeinflusst ebenfalls die zwischenmenschlichen Kommunikationsmuster. Wer keinen Zugang zu digitalen Welt hat, wird Probleme haben, am sozialen Leben teilzunehmen.

7. Zunehmende Bedeutung des Nachhaltigkeitsprinzips
Aufgrund der abnehmenden Verfügbarkeit von Rohstoffen und des Klimawandels misst die Gesellschaft dem Nachhaltigkeitsprinzip inzwischen einen hohen Stellenwert zu.

8. Was bedeuten diese Trends für die Gewerkschaften und den EGÖD?
Wir haben festgestellt, dass alle EGÖD-Gewerkschaften mit dem Problem der abnehmenden Repräsentativität zu tun haben. Die Mitgliederzahlen gehen zahlenmäßig und in diversen Gruppen und Sektoren zurück. Wir als Gewerkschaften haben hier eine große Verantwortung und müssen bereit sein, uns selbst und unsere Gewerkschaftsarbeit auf den Prüfstand zu stellen. Damit Gewerkschaftsaktivitäten Wirkung zeigen, müssen wir uns verstärkt mit dem WACHSTUM der Gewerkschaften befassen, damit wir in Kontakt mit allen ArbeitnehmerInnen und Sektoren bleiben. Wenn die Gewerkschaften weiterhin nahe an den ArbeitnehmerInnen und repräsentativ für alle Gruppen und Sektoren bleiben wollen, müssen wir uns so verändern, dass wir für unsere aktuellen und zukünftigen Mitglieder attraktiver werden.
Wachstum - indem wir Themen auf unsere Agenda setzen, die für alle Arbeitskräfte tatsächlich von Bedeutung sind. Diese zentralen Themen müssen auf unterschiedlichen Wegen ständig aktualisiert und geprüft werden. Es gibt Bedürfnisse bei Mitgliedern, mit denen wir traditionell noch nicht gearbeitet haben.
Wachstum – durch neue Formen gewerkschaftlicher Aktivitäten, die auf die jüngeren Generationen sowie spezifische Themen und Gruppen abgestimmt sind, zum Beispiel diejenigen, die keine feste Arbeit haben.
Wenn wir mehr neue Mitglieder werben wollen, müssen wir vermitteln, was wir als Gewerkschaften leisten und wie wir für die ArbeitnehmerInnen tätig werden. Dies muss allen ArbeitnehmerInnen klar sein, die wir für unsere Gewerkschaften gewinnen wollen.

9. Wie sollen wir handeln?

Um diesen Prozess konkret gestalten zu können, fordert der Kongress den EGÖD auf, eine stimulierende und anregende Rolle zu übernehmen und dabei den Schwerpunkt auf das Wachstum zu legen. Aus diesem Grund fordern wir den Kongress auf:
-# Das Wachstum sowohl des EGÖD insgesamt als auch der einzelnen Gewerkschaften zum Maßstab aller vom EGÖD getroffenen Entscheidungen über grundsatzpolitische Themen und Advocacy-Arbeit zu machen.
-# Den EGÖD als Plattform für beste Praktiken, neue Strategien und Formen der Erneuerung zu nutzen und dabei den gegenseitigen Austausch von Informationen und Erfahrungen in den Mittelpunkt zu stellen. Um diese Plattform auszugestalten, fordern wir die Durchführung einer Konferenz über das Thema Wachstum, damit wir die Fundamente für die weitere Entwicklung dieser Plattform legen können. Darüber hinaus sollte das Thema „wie wir Wachstum erzielen können und wie wir uns gegenseitig stärken können” zu einem Teil der EGÖD-Agenda werden.

am 10. Juni 2009 vom Kongress angenommen