neue Jahr Nachricht von EGÖD-Generalsekretär

Brüssel, Mittwoch, 7. Januar 2015

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

2015 wird ein Jahr, das für uns Herausforderungen, aber auch Chancen bereithält, wenn wir weiter auf den 2014 erzielten Erfolgen aufbauen. Eine erste Nachricht im neuen Jahr war die Ankündigung vorgezogener Parlamentswahlen in Griechenland. Trotz der versuchten Einflussnahme von EU-Kommissionspräsident Juncker wurde der Kandidat der Koalitionsregierung nicht zum Präsidenten gewählt. Die beständige Opposition der griechischen Regierung gegenüber der Sparpolitik, die dem griechischen Volk so viele Härten auferlegt und die zu Lohnkürzungen und zu Arbeitsplatzverlusten führt, könnte jetzt möglicherweise zu einem Politikwechsel führen. Einige prognostizieren, dass Griechenland den Euro verlassen wird und dass dies auch für die EU insgesamt schlimme Folgen haben würde. Andere wiederum sehen interessante Perspektiven für eine Regierung, die Strukturreformen, Deregulierung und Förderung öffentlich-privater Partnerschaften ablehnt, wie sie Junckers Investitionsprogramm vorsieht. Ob die linke Syriza die griechischen Wahlen gewinnt oder nicht - der EGÖD wird die Pläne Junckers kritisch begleiten und seinen Kampf für ein Ende der gegen unsere Mitglieder gerichteten Spardiktate und für einen echten Investitionsplan für öffentliche Dienste fortsetzen, der 2015 für Wachstum und neue Arbeitsplätze sorgt.

Die ArbeitnehmerInnen fordern nach Jahren der Lohnzurückhaltung bei ständig steigenden Unternehmensgewinnen mehr Geld. Diesen Kampf unterstützt der EGÖD überall in Europa. Beispielhaft seien hier die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes im VK, die Polizei, die Feuerwehren und viele andere in Ländern wie Portugal und Italien genannt. Es wird ebenfalls Wahlen im VK geben; eine Volksabstimmung über den Verbleib in der EU wurde bereits angekündigt. Die Deregulierungs- und REFIT-Agenda der EU ist eine Antwort, hat aber erhebliche Auswirkungen auf die Arbeitnehmerrechte. Wir werden uns mit Initiativen der Kommission im Kontext der Richtlinien über Anhörung und Unterrichtung befassen müssen. Wir gehen ebenfalls von einer Prüfung der Frage aus, wie Sozialdumping im Zuge der Entsenderichtlinie verhindert werden kann; und es wird weitere Diskussionen über die Arbeitszeitrichtlinie geben. Diese Themen sind auf dem Programm unserer ersten großen Veranstaltung 2015, der Kollektivverhandlungskonferenz. GewerkschafterInnen aus ganz Europa erörtern die Themen Arbeitszeit, Mindestlöhne und Niedriglöhne, aktuelle Lohnentwicklungen, Europas Wirtschaftspolitik und Strukturreformen. Die Konferenz wird sich ebenfalls mit dem Thema befassen, wie wir den Solidaritätsaspekt zu einem festen Bestandteil unserer Verhandlungen machen können.

Solidarität brauchen auch die 98 Beschäftigten, die am 6. Dezember vom Krankenhaus der Maltepe-Universität in Istanbul entlassen wurden. Kündigungsgrund waren ihre gewerkschaftlichen Aktivitäten und die Forderung nach mehr Lohn und besseren Arbeitsbedingungen. Diese Mitglieder der Gewerkschaft Dev-Saglik-Is, einer dem Gewerkschaftsverband DISK angeschlossene Gesundheitsgewerkschaft, haben Ende des vergangenes Jahres mit einem Streik begonnen, der auch 2015 noch anhält. Ich habe an den Rektor der Universität und den Direktor des Krankenhauses geschrieben, mich für die Entlassenen eingesetzt und gefordert, dass sie ihre Jobs wiederbekommen. Solche Kämpfe zeigen, warum die Teilnahme am Globalen Aktionstag am 18. Februar so wichtig ist. Er wird organisiert von PSI und IGB und verteidigt das Streikrecht, das durch die europäische und internationale Arbeitgebervertretung in der Internationalen Arbeitsorganisation in Frage gestellt wird.

Eine weitere wichtige Veranstaltung wird der Welttag des öffentlichen Dienstes am 23. Juni 2015. Dabei handelt es sich um einen UN-Tag, der die Beiträge der im öffentlichen Dienst Beschäftigten für die Verbesserung der Lebensumstände weltweit würdigt. EGÖD und PSI werden dies als Gelegenheit nutzen, auf die Gefahren für Demokratie, öffentliche Dienste und ArbeitnehmerInnen hinzuweisen, die durch eine Reihe von Handelsabkommen drohen - besser bekannt unter ihren Bezeichnungen CETA, TTIP und TiSA. Die Nationalstaaten und das Europäische Parlament werden sich gegen Ende des Jahres und Anfang 2016 intensiv mit dem CETA-Abkommen zwischen der EU und Kanada befassen. Wir haben erfolgreich eine breite Öffentlichkeit auf die Probleme aufmerksam gemacht, die zum Beispiel durch den Investor-Staat-Streitbeilegungsmechanismus ISDA entstehen. Damit haben multinationale Unternehmen die Möglichkeit, politische Handlungsspielräume von Staaten einzuschränken. Unsere Arbeit und die der sozialen Bewegungen haben den Druck auf die Staaten erhöht, die Verhandlungen transparenter zu gestalten. Gemeinsam können wir verhindern, dass das Abkommen in seiner ursprünglich geplanten Ausführung verwirklicht wird. Eine der ersten Aktionen des EGÖD ist ein Seminar in Wien, das am 15. und 16. Januar stattfindet. Es befasst sich mit diesen Handelsabkommen, ihren Auswirkungen auf öffentliche Dienste und mit der Frage, wie wir gemeinsam mit unseren österreichischen KollegInnen und dem Europäischen Gewerkschaftskomitee für Bildung und Wissenschaft (ETUCE) Widerstand leisten können. Wir werden weiterhin mit unseren GewerkschaftskollegInnen die Auswirkungen der EU-Freihandelsabkommen auf die Beschäftigten in den öffentlichen Diensten in Georgien, Moldawien und der Ukraine untersuchen. Gemeinsam mit EGB und IGB werden wir im Rahmen der erwarteten Überprüfung der Politik gegenüber den östlichen EU-Nachbarländern durch die Europäische Kommission Stellung beziehen. Angesichts der wirtschaftlichen und politischen Spannungen zwischen der EU und Russland, unter denen besonders die ArbeitnehmerInnen zu leiden haben, brauchen wir Initiativen für Wohlstand und Frieden in Europa anstatt der Kriegstreiberei auf beiden Seiten. Dies wird 2015 eine große Herausforderung bleiben.

Gegen Ende des Jahres wird eine EGÖD-Delegation gemeinsam mit dem EGB und der PSI sowie GewerkschafterInnen aus allen Teilen der Welt vom 30.11 bis zum 11.12. an der Klimakonferenz in Paris teilnehmen und dort Flagge zeigen. Wir werden uns dieses Jahr mit allen Mitteln bei der EU und europäischen Staaten (Russland, Türkei usw.) für ein Abkommen einsetzen, das einen Gerechten Übergang (Just Transition) für die ArbeitnehmerInnen sichert und zu einer signifikanten Verringerung der CO2-Emissionen führt. Unsere Kongressentschließung hat bereits darauf hingewiesen: Der Klimawandel ist für sich allein genommen die größte Bedrohung für heutige und zukünftige Generationen. Mehr denn je kommen wir zu der Erkenntnis, dass das allein auf Gewinnmaximierung ausgerichtete Wirtschaftssystem der Kern des Problems der Klimaerwärmung ist.

Viele dieser Themen werden auf dem EGB-Kongress vom 28. September - 2. Oktober in Paris angesprochen. Das wichtigste Thema bleibt aber die Frage, wie wir die europäische Gewerkschaftsbewegung weiter aufbauen und stärken können und wie wir dafür sorgen können, dass ArbeitnehmerInnen ein Mitspracherecht an den Entscheidungen von Arbeitgebern, Regierungen, europäischen und sonstigen Institutionen haben, die unser Alltagsleben beeinflussen. Eine entscheidende Frage ist dabei, wie wir die Anwerbung und gewerkschaftliche Organisierung von ArbeitnehmerInnen verbessern können. Dies ist ein wichtiges Leitmotiv für viele unserer Aktionen dieses Jahr, zum Beispiel während des Jugendworkshops mit VertreterInnen aus mittel- und osteuropäischen Ländern am 16. und 17. März in Bukarest.

Es liegt also ein arbeitsreiches Jahr vor uns. Die EGÖD-Gewerkschaften werden ihre positive Arbeit in den Ausschüssen für den Sozialdialog und in den Europäischen Betriebsräten fortsetzen und ihre Kontakte zu den Mitgliedern des Europäischen Parlaments pflegen, die wir erfolgreich von der ersten Europäischen Bürgerinitiative für das Recht auf Wasser überzeugt haben. Der EGÖD wird weiterhin Kommissionspräsident Juncker und die europäischen Regierungen in die Pflicht nehmen, um konkrete Maßnahmen gegen die Steuerhinterziehung zu ergreifen. Wir weisen darauf hin, dass öffentliche Dienste von Männern und Frauen erbracht werden, deren Interessen wir vertreten. Unsere Mitglieder verdienen angemessene Löhne und Arbeitsbedingungen für ihre harte Arbeit, die sie oft unter schwierigen und gefährlichen Bedingungen zum Wohle unserer Gemeinschaften leisten.

Ich wünsche euch, euren Gewerkschaften und uns gemeinsam viel Erfolg im neuen Jahr.

Mit solidarischen Grüßen,

Jan Willem Goudriaan,
EGÖD-Generalsekretär