R.6. Entschließung über nationale und europäische Verwaltung

A. Die EGÖD-Mitglieder, die sich vom 8. bis zum 11. Juni 2009 zum 8. EGÖD-Kongress in Brüssel versammeln, erkennen folgende Aussagen an:

1. Der wachsende Einfluss der Europäischen Union auf die staatlichen Verwaltungen erfordert eine kritische und koordinierte Antwort, wie sie auch schon im Falle der Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt erfolgt ist. Die Aufrechterhaltung eines effektiven, öffentlich finanzierten Staatssektors mit öffentlich erbrachten Dienstleistungen wird als unverzichtbar für die Wahrung einer demokratischen und sozial, ökologisch und wirtschaftlich erfolgreichen Gesellschaft in Europa und auch weltweit angesehen;

2. Ein wichtiges Merkmal dieser staatlichen Dienste sind gut ausgebildete und gut bezahlte MitarbeiterInnen in ausreichender Zahl, ein sozial verantwortlich handelndes Management und ein sozialer Dialog mit unabhängigen und repräsentativen Gewerkschaften. Für die MitarbeiterInnen dieser Dienste gelten uneingeschränkt das kollektive Arbeitsrecht wie das Recht auf Anhörung und Unterrichtung, das Recht auf Verhandlungen über Löhne, Arbeitsbedingungen und Reformen des öffentlichen Sektors sowie das Recht auf Arbeitskampfmaßnahmen, falls diese angezeigt sind;

3. Die Mitglieder des EGÖD stehen der zunehmenden Bedeutung des privaten Sektors bei der Erbringung öffentlicher Dienste äußerst kritisch gegenüber und wiederholen ihre Forderung nach horizontalen Rechtsvorschriften auf EU-Ebene für öffentliche Dienstleistungen, die die rechtliche Grundlage aller öffentlichen und nicht den Wettbewerbsregeln unterworfenen Aktivitäten stärken würden unter weitgehender Beachtung des Subsidiaritätsprinzips. Zwar hat der private Sektor bei der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen in einer Mischwirtschaft eine wichtige Rolle zu übernehmen, wenn er adäquat reguliert wird. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass die Privatwirtschaft die wichtigsten Funktionen einer öffentlichen staatlichen Verwaltung nicht ersetzen kann und dies auch aufgrund ethischer Erwägungen nicht wünschenswert ist. Zu diesen Funktionen zählen die Gewährleistung der sozialen und körperlichen Sicherheit sowie der Rechtssicherheit, Gerechtigkeit und Gleichheit im Interesse des Gemeinwohls und nicht nur einiger weniger Gruppen;

4. Die Qualität staatlicher Verwaltungen erfordert Stabilität und Vorhersehbarkeit, parlamentarische Kontrolle und eine unabhängige Evaluierung auf Grundlage der Prinzipien der öffentlichen Dienste wie Solidarität, gleichberechtigter Zugang, Universalität, Kontinuität, Bezahlbarkeit, Nähe, soziale Partnerschaft und demokratische Kontrolle;

5. Die ständigen Angriffe auf die Vergütung der StaatsbeamtInnen und den Personalbestand in der staatlichen Verwaltung sowie die negative Darstellung der BeamtInnen als „finanzielle Belastung“ sind nicht akzeptabel. Die staatlichen Verwaltungen und die EU-Verwaltung sind Teil der Lösungen der wichtigsten Probleme, mit denen Europa heute konfrontiert wird;

6. Der Erfolg der Initiativen zur Formalisierung des europäischen Sozialdialogs zwischen der vom EGÖD geleiteten TUNED-Delegation (Gewerkschaftsdelegation für nationale und europäische Verwaltung) und EUPAN (Europäisches Netz öffentlicher Verwaltungen) in der staatlichen Verwaltung ist teilweise durch die engere Zusammenarbeit zwischen den Arbeitgebern und den Gewerkschafts-gruppierungen entstanden, die die BeamtInnen in Europa repräsentieren, sowie durch die wachsende Einflussnahme der EU und die Notwendigkeit der Entwicklung einer eigenständigen sektoralen Antwort;

7. Die laufende zweijährige Testphase 2008-2009 für den formellen sozialen Dialog wird positiv gesehen. Sie verpflichten sich zur Weiterentwicklung ihrer Zusammenarbeit, um im Rahmen der EGÖD-Positionen gewerkschaftliche Aktionen durchzuführen, die eine Alternative zum weiteren Abbau öffentlicher Dienste darstellen;

B. Der 8. Kongress fordert den EGÖD und seine Mitglieder in den nationalen und europäischen Verwaltungen auf:

8. Gewerkschaftsrechte und sozialer Dialog
Sich für die Gewerkschaftsrechte der StaatsbeamtInnen in den europäischen Ländern entsprechend der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie weiterer relevanter europäischer Chartas und Übereinkommen einzusetzen und zu engagieren. Zu Verletzungen von Gewerkschaftsrechten in einigen Ländern kommt es in erste Linie wegen einer zu geringen Bestrafung gewerkschaftsfeind-lichen Verhaltens seitens der Arbeitgeber und aufgrund zu weit gefasster Definitionen des Begriffs „existenzwichtiger (öffentlicher) Dienste“ auf nationaler Ebene, wo grundlegende Gewerkschaftsrechte eingeschränkt werden;

9. Die nationalen EPAN-VertreterInnen zu überzeugen, eine Arbeitgeberorganisation auf EU-Ebene zu gründen und den sektoralen sozialen Dialog zu formalisieren mit dem Ziel, eine konkrete Reformagenda und Mindestsozialnormen für die staatlichen Verwaltungen zu entwickeln;

10. Sich weiterhin für die Beibehaltung der führenden Rolle des EGÖD als die repräsentative Stimme der Beschäftigten im öffentlichen Sektor einschließlich der StaatsbeamtInnen einzusetzen, gleichzeitig aber auch die Kontaktpflege zu anderen Gruppen zu intensivieren;

11. Sich mit Hilfe von Kollektivverhandlungen und/oder Gesetzen für angemessene Löhne, Altersbezüge und Arbeitsbedingungen für alle, gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit von Männern und Frauen besonders durch eine geschlechtsneutrale Bewertung beruflicher Tätigkeiten sowie diskriminierungsfreie Arbeitsplätze einzusetzen ungeachtet des Geschlechts, des ethnischen Hintergrunds, der Nationalität, eventueller Behinderungen, des Alters, der sexuellen Orientierung und der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft.

12. Qualitativ hochwertige staatliche Verwaltungen
Die aktuelle Debatte über Leistung und Produktivität zu beenden und statt dessen eine Agenda für Qualität und soziale Gerechtigkeit in den Vordergrund zu stellen und auf EU-Initiativen und Rechtsprechungen zu reagieren;

13. Die regulierende, schützende und rechtsdurchsetzende Rolle der Regierungen und EU-Institutionen durch die Entwicklung gemeinsamer Grundsätze für verantwortungs-bewusste Staatsführung, Transparenz und Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung, eGovernment und gesunde öffentliche Finanzen zu fördern;

14. Das Engagement des privaten Sektors und des dritten (gemeinnützigen) Sektors kritisch zu beurteilen;

15. Im Rahmen der EGÖD-Forderung nach horizontalen Rechtsvorschriften auf EU- Ebene für öffentliche Dienste und einem entsprechenden Aktionsprogramm für qualitativ hochwertige öffentliche Dienste einzutreten auf Grundlage des Protokolls über öffentliche Dienste, das 2008 von den 27 EU-Regierungen vereinbart wurde;

16. Weiterhin europaweit Verhandlungsinformationen zu koordinieren und sowohl bilateral als auch unilateral die Kontakte zwischen Gruppen vergleichbarer StaatsbeamtInnen in Europa zu intensivieren, um Arbeitsbedingungen zu verbessern, Reformen in Angriff zu nehmen und das Profil des EGÖD zu verbessern;

17. In Zusammenarbeit mit anderen ständigen Ausschüssen einen Beitrag zur Entwicklung einer Grundsatzposition über verteilungsgerechte Steuersysteme und öffentliche Investitionen in öffentliche Dienste in Europa zu leisten.

18. Struktur des Ausschusses
Innerhalb des Ausschusses ein Mentorsystem mit dem Ziel einzuführen, dass junge Mitglieder wenigstens einmal jährlich an den Ausschusssitzungen und/oder anderen Aktivitäten mit NEA-Hintergrund teilnehmen;

19. Die Beteiligung von Frauen an der Arbeit des Ausschusses und an allen Ausschussaktivitäten zu verbessern, um bis zum nächsten Kongress 2014 Geschlechterparität zu erreichen.

am 10. Juni 2009 vom Kongress angenommen